Vor über zehn Jahren, als ich noch mit ganz anderen Modellen befasst war, habe ich aus einer Laune heraus die Reale von Heller gebaut. Ich glaube, der Hauptgrund war der, dass ich sie für sensationelle 30 € komplett ungebaut im Netz ersteigern konnte. Ein halbes Jahr später war das Modell fertig.
2021, vermutlich in einem Anfall von Corona-Langeweile, habe ich es wieder hervorgeholt und dergestalt umgebaut, dass es ein Nacht- oder Sonnenzelt bekam. Doch damit nicht genug. Historischen Abbildungen folgend, habe ich das Modell dahingehend umgebaut, dass es der Ort für ein sogenanntes Galeerenfest sein soll. Über 100 Figuren, überwiegend Preiser, auf 18. Jahrhundert umgebaut bevölkern jetzt das Deck, das gleichzeitig zum Ballsaal umgebaut wird, während immer noch Ruderer an Bord sind.
Auf die launige Bemerkung eines Kollegen in einem anderen Forum hin, habe dann begonnen, dem Schiff einen ganzen Hafen zu bauen. Wer A sagt, muss auch B sagen. Den Hafen kann ich im Moment nicht zeigen, weil er sich gerade in einer Erweiterung befindet. The beat goes on. Nun bleibt so eine Galeere nicht gerne allein. Die besagten zeitgenössischen Abbildungen zeigen auch immer eine ganze Reihe davon, nebeneinander liegend. Wie der Zufall es will, besitze ich inzwischen einen zweiten Bausatz. Aber natürlich wollte ich die Galeere nicht noch einmal genau gleich bauen. Außerdem werde ich in diesem Leben sicherlich kein Modell mehr bauen, das von einer dreistelligen Anzahl individuell umgebauter Figuren bevölkert wird. Ich habe lange nachgedacht. Schließlich habe ich mich gefragt, was denn der größte Unterschied zu der für die Party herausgeputzten Galeere sein könnte? Nun, ganz einfach: ein Exemplar desselben Schiffstyps, das sich in einem fortgeschrittenen Zustand des Verfalls befindet. Immerhin „spielt“ mein Hafendiorama zu Beginn des 18. Jahrhunderts, als die französische Galeerenflotte im Mittelmeer gerade aufgelöst wurde. Doch nun ist es natürlich einfach, sich selbst eine solche Direktive zu geben, schwieriger ist die Umsetzung. Vor allem wird es darum gehen, möglichst viele der konstruktiven Elemente sichtbar zu halten und ihre Oberflächen von (graviertem) Plastik in verwittertes Holz zu verwandeln. Auf dem ersten Foto sind die Rumpfschalen bereits mit dem Deck zusammengeklebt. Das ist bei dem beinahe lanzenartigen Rumpf gar nicht so einfach hinzukriegen, ohne dass er sich dabei verwindet. Dann habe ich ihm, was ich schon bei der ersten Galeere hätte tun sollen, das Unterwasserschiff abgeschnitten, um das Modell auf den Wasserplatten beweglicher anordnen zu können. Die Operation sah zunächst einfach aus, weil eine Wasserlinie zwischen den Planken des Rumpfes und dem nicht gravierte Unterwasserschiff deutlich angegeben war. Aber das musste ja noch nicht heißen, dass die Linie auch stimmt. Ich habe den Rumpf ein gutes Stück weiter unterhalb getrennt, und das war auch richtig so, weil ich das Material brauchte, um ihn so gerade zu bekommen, dass er auch auf einer Glasplatte nicht kippelte. Das Foto zeigt die Anbringung der Seitenteile des mittleren Laufgangs, der sogenannten Coursie, von der aus die Rudersklaven beaufsichtigt und die Segel bedient wurden.
Schon jetzt bekommt der Rumpf eine mehrfache, jeweils dünne Grundierung mit Humbrol Nr. 28, meinem bevorzugten Grau für „hölzerne“ Decks im Gebrauch.
Eine besondere Herausforderung (besser: a pain in the ass) sind die Stützen, die die seitlichen Laufgänge tragen. Seit Jahrzehnten wird im Netz über die furchtbar hohe Anzahl von Auswurfmarken an diesen Teilen gejammert. Ich habe sehr schweres Gerät eingesetzt. Wichtig ist, die Stützen erst dann von den Gussgraten zu lösen, wenn sie eingebaut werden, eine nach der andern, denn tatsächlich sind sie alle verschieden, und schon die kleinste Verwechslung wird dazu führen, dass die äußeren Laufgänge nicht mehr glatt aufliegen. Bei meinem ersten Modell hatte ich dafür nummerierte Ablageplätze auf doppelseitigem Klebeband eingerichtet, aber das wäre um ein Haar schief gegangen. Man sieht später von diesen Stützen wirklich nicht mehr allzu viel, wenn man das Modell nach Bauplan zusammenbaut. Anders ist es, wenn man etwa ein paar Ruderbänke weglassen will. Also bekommen auch diese Teile die Premiumversion der Verholzung: Abschliff, Neueinschleifen einer Maserung, Überzug mit rasch wieder abzuwischender Ölfarbe.
Weiter geht es mit der „Verholzung“ des Rumpfes vermittels Ölfarbe. Dank der Erfahrung, die ich mit diesem Vorgang habe, geht sie ganz gut voran, aber es sind sehr große Flächen, die zu behandeln sind. Schon ist ein ganzes Töpfchen Humbrol Nr. 28 dabei drauf gegangen. Und der Rumpf ist und bleibt unhandlich.
Die Parkett-Decks des Achterkastells sind Neukonstruktionen, die ich bereits für den Umbau der ersten Reale geschaffen hatte. Die bekannte Erfahrung: Sachen gehen erstaunlich schnell von der Hand, wenn man weiß, wie es geht. Und wenn alle Materialien vorhanden sind. Hier zunächst das ursprüngliche Teil aus dem Bausatz:
Und hier die Neukonstruktion:
Dem Bausatz liegt ein Stück Deck bei, das ganz hinten unter dem Aufbau verschwindet und keinerlei konstruktive Funktion hat. Man fragt sich, was es da soll – und lässt es dann. Ich habe das Modell jetzt anderthalb mal zusammengebaut und bin immer wieder anstellen vorbeigekommen, an denen Passform und Maß Genauigkeit eher mittelprächtig waren. Dieses Modell zu konstruieren, muss damals eine gewaltige Herausforderung gewesen sein. Insbesondere die Konstruktion der Ruderbänke und der seitlichen Auflieger erfordert eine Genauigkeit unterhalb des Millimeter Bereich. Das ist material- und Produktionstechnik wahrscheinlich kaum zu realisieren gewesen. Die großen Segelschiffmodelle Reale, Schebecke, Soleil Royal und Victory waren Prestigeobjekte. Dem enormen Aufwand besteht sicher der Verdruss gegenüber, den viele Käufer beim Zusammenbau erfahren haben – aber auch die Genugtuung, aufgetauchte Probleme selbst gelöst zu haben. Zurück zu diesem ominösen Stück Deck. Daran habe ich den zweiten Schritt meines Farbplans (oder eigentlich den dritten) geübt: verblichene, abgeschabte und abgeblätterte blaue Farbe. Zum Einsatz kamen nacheinander: leichter Anschliff, Grau als Grundierung, Ölfarbe zur Strukturbildung, verdünntes Blau, ungleichmäßig aufgetragen, und schließlich eine Bürste mit Messingborsten. Ich hoffe, das geht in die richtige Richtung, experimentiere aber noch mit verschiedenen Blautönen und Messingbürsten.
Eine Vorschau: Schon für die Aufrüstung der Galeere zur Party Location hatte ich kleine Fenster gebaut, die den hinteren Aufbau deutlich weniger carportmäßig aussehen ließen. Vorlage waren wieder zeitgenössische Rekonstruktion. Die abgegossenen Fenster kann ich jetzt, da der Aufbau noch nicht zusammengeklebt ist, wesentlich leichter einsetzen. Unter der Fensterreihe sind an der Bordwand die großen Reliefs angebracht, von denen sich tatsächlich zwei erhalten haben, sodass man sie zusammen mit den anderen Verzierungen des Hecks der Reale heute noch im Marinemuseum in Paris bewundern kann.
Ich habe die entsprechenden Teile des Bausatzes abgegossen.
Aus dem Backbord-Teil habe ich das große Relief herausgeschnitten. Man entfernte diese Teile im Winter, um sie nicht mehr als nötig dem Wetter auszusetzen. So ist wohl auch zu erklären, dass einige davon sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben.
Ich könnte jetzt eine Szene darstellen, bei der die Reliefs entfernt bzw. wieder angebracht werden. Mal sehen. Demnächst wird es ernst, dann geht es an die Konstruktion, die sowohl die Ruderbänke als auch die seitlichen Ausleger für die Riemen trägt.
Das ist der Rumpf der Reale, wie er womöglich auch beim Original in einem frühen Bauzustand ausgesehen haben mag. Die Schiffe bestanden aus einem schmalen, flachen Rumpf, der nach Möglichkeit wasserdicht geschlossen war. Sämtliche Aufbauten und insbesondere die Ruderbänke und die Ausleger wurden darauf aufgesetzt. Ich habe gelesen, dass die Schiffe, wenn sie segelten, bei Krängung so weit ins Wasser ragten, dass die Ruderer der Leeseite bis zu den Hüften im Wasser standen oder saßen. Man muss sich immer bewusst halten, dass die Verurteilung zu einer Galeerenstrafe praktisch identisch mit der Todesstrafe war.
Ich war so blauäugig, zu glauben, die (140!) Streben, die die seitlichen Laufgänge halten, seien von den Konstrukteuren so gut angeordnet, dass die abschließenden Balken fluchten würden. Das waren sie nicht. Ich hätte mit einer Art Stracklatte ihre genaue Position schon beim Ankleben auf dem Rumpf bestimmen müssen. Das Problem war mir vom ersten Zusammenbau nicht mehr bewusst, ein Beweis dafür, dass man in 13 Jahren auch schon mal was vergessen kann. Ich musste dann verbliebene Spalten zwischen Streben und äußeren Balken ausspachteln.
Ich hatte eingangs schon gesagt, dass ich das Modell in einem stark „gebrauchten“ Zustand darstellen möchte. Hier ein erstes Ergebnis des Verfahrens, mit dem ich alte Farbe darstellen möchte: Grundierung mit Grau, Ölüberzug abgewischt und dann ein lasierender Überzug, in diesem Fall mit roter Farbe. Man könnte das Verfahren wohl ein Pre-Shading nennen. Mit dem Ergebnis des ersten Versuchs bin ich schon recht zufrieden.
Unten Fotos von der Rambade, der erhöhten Plattform im Bug, die vielen Galeeren eigen ist. Sie diente als erhöhte Kampfplattform, die außerdem Schutz gegen die großen Kanonen bot, die darunter stehen. Von hier aus wird auch das Focksegel bedient. Ich halte vorerst fest an der Pre-Shading-Technik, deswegen ist auch hier alles erstmal „ergrautes“ Holz. Ich verspreche mir viel von dieser Technik, wenn es um die Darstellung eines heruntergekommenen Zustands geht. Mal sehen, ob ich meinen eigenen Ansprüchen gerecht werden kann.